1999/2000
Die Farbe Rot in Dortmund

1. WETTBEWERB BILDENDE KUNST für Schülerinnen und Schüler in Dortmund 2000

Rosa Fehr-von Ilten (Text publiziert in: Ausstellungskatalog Die Farbe Rot in Dortmund, Emsdetten, 2000)

Überlegungen zu einem kommunalen WETTBEWERB BILDENDE KUNST
für Schülerinnen und Schüler in Dortmund 2000

Gesellschaftliche Orientierung findet heute, nicht zuletzt durch die Entwicklung der neuen Medien, immer mehr durch Bilder und weniger durch Sprache statt. Zwischen den Ansprüchen der visuellen Kultur, denen Kinder und Jugendliche heute ausgesetzt sind, und dem, was Kunstunterricht an Schulen unter den derzeitigen finanziell, räumlich und zeitlich begrenzten Bedingungen leisten kann, besteht, vor allem auch für die Jugendlichen selbst, eine immer größer werdende Diskrepanz. Angesichts der perfekt gestalteten Umwelt, die Kindern und Jugendlichen in Form von Werbebotschaften, Unterhaltungs- und Tourismusangeboten, Lifestyle-Produkten, Spielen und Programmen in den Medien, in den Geschäften, in Unterhaltungsparks und im städtischen Raum entgegentritt, werden ihre Möglichkeiten, selbst etwas zu gestalten, das ihren eigenen Ansprüchen standhalten kann, immer geringer. Innerhalb des Bildungssystems spielt die Vermittlung künstlerisch-technischer Fertigkeiten und damit auch der Kunstunterricht, ähnlich wie andere sogenannte "musische" Fächer, eine immer geringer werdende Rolle. Als Orchideenfach an den Rand gedrängt und durch anhaltende Sparmaßnahmen und mangelnde Lehrerstellen ausgezehrt, steht inzwischen die Existenz des Unterrichtsfaches Kunst in den Schulen im Ganzen auf dem Spiel. Diese Entwicklung konnte selbst die Idee der "ästhetischen Erziehung", (das weitreichendstes Konzept, in dem die kunstpädagogische Diskussion der siebziger Jahre kulminierte), die die Aneignung von Wirklichkeit mit den Mitteln der Kunst möglich zu machen versuchte, nicht voraussehen. Es gilt daher, geeignete Ansätze zu finden, dieser Entwicklung im Rahmen des Unterrichts angemessen zu begegnen und die Rolle der Kunsterziehung im Bildungssystem neu zu definieren.

Unterricht ist ein komplexes Interaktions- und Beziehungsgefüge vor allem zwischen Lehrern und Schülern und findet weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Einschätzungen und Bewertungen des Unterrichts durch Eltern, Öffentlichkeit und Medien sind von durch vielfältige Einflüsse geprägten Meinungen, Einstellungen und Werthaltungen abhängig, können aber auch durch die Möglichkeit der Schulen, individuelle Profile zu entwickeln, geprägt werden.

Zielsetzungen für das, was Unterricht leisten soll, sind nicht unabhängig von gesellschaftlichen Moden und Trends. Während noch in den siebziger Jahren Ziele wie "Emanzipation" oder "Diskursfähigkeit" und weniger Unterrichtinhalte eine Rolle spielten, tritt in den letzen Jahren wieder stärker die Forderung nach der Vermittlung und Kumulation von Wissen in den Vordergrund.

Im Sinne einer ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung muss es heute vor allem darum gehen, der Entwicklung kreativer und ästhetischer Wahrnehmungs- und Ausdrucksformen von Kindern und Jugendlichen in den Schulen ebensoviel Raum zu geben wie der Entwicklung kognitiver Fähigkeiten. So könnte gewährleistet werden, dass sie sich in einer visuell dominierten Kultur nicht nur zurechtfinden und an ihr teilhaben können, sondern diese auch reflektieren lernen.

In diesem Zusammenhang kommt der Kunsterziehung eine entscheidende Rolle zu, da hier die Analyse visueller Phänomene, Produktion und Reflexion zusammenfallen. Es bedarf deshalb einer Neubewertung und Wertschätzung des Faches Kunst im Rahmen des Fächerkanons an den Schulen. Dies kann nur geschehen, wenn die Kunsterzieher eine Bestandsaufnahme der Leistungsfähigkeit des Kunstunterrichts im Hinblick auf die oben angesprochene Problematik durchführen, seine Rahmenbedingungen reflektieren, den Austausch mit Kollegen (auch aus anderen Fächern und anderen Schulformen ) suchen, neue Impulse und Anregungen auch außerhalb von Schule aufnehmen und Schule in die Gesellschaft hinein zu öffnen versuchen.

Der WETTBEWERB BILDENDE KUNST will, ähnlich wie die Wettbewerbe in den Bereichen Musik, Mathematik und Literatur, im Bereich der Bildenden Kunst einen Beitrag im oben beschriebenen Sinne leisten. Er kann einen Überblick über die künstlerischen Produktionen von Kindern und Jugendlichen, vor allem auch im Sinne einer Bestandsaufnahme des Kunstunterrichts, sein. Er dient dazu, einer breiten Öffentlichkeit künstlerische Arbeiten von Schülerinnen und Schülern , also auch die Ergebnisse von Kunstunterricht, zu präsentieren. Für Kinder und Jugendlichen bietet der Wettbewerb einen Anreiz, sich mit künstlerischen Techniken und visuellen Phänomenen im Kunstunterricht, aber auch darüber hinaus, zu beschäftigen. Für die Schulen ist er eine Chance, sich mit ihrer Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Für Kunsterzieher kann er ein Forum zur Darstellung ihrer Tätigkeit, zur Reflexion des eigenen Unterrichts und zur Kommunikation mit Fachkollegen unabhängig von der eigenen Schulform bieten. Für die Öffentlichkeit, vor allem durch die Verankerung in außerschulischen kommunalen Bildungseinrichtungen, wie in diesem Fall einem Museum für zeitgenössische Kunst, bietet er eine Möglichkeit, künstlerische Äußerungen von Kindern und Jugendlichen in gesellschaftlich anerkannter Form darzustellen und ernst zu nehmen.

Grundgedanke des 1. WETTBEWERBS BILDENDE KUNST für Schülerinnen und Schüler in Dortmund ist es, die unmittelbare außerschulische Umwelt der Kinder und Jugendlichen, also den städtischen Raum, zum Ausgangspunkt, Feld und Thema für Bildfindungen zu machen, die dessen Gestaltungsmöglichkeiten reflektieren. Denn die Stadt - verstanden nicht nur als gebaute Umwelt, sondern auch als soziales Gefüge - ist der wichtigste Bereich, in dem Kindern und Jugendlichen ihre Umwelt als gestaltet entgegentritt und den sie zugleich als gestaltbar, d. h. als veränderbar und nicht nur als "schon fertig", und zwar im Großen wie Kleinen erleben.

Mit dem Thema "Die Farbe Rot in Dortmund" bot der erste kommunale WETTBEWERB BILDENDE KUNST SchülerInnen und LehrerInnen unabhängig von Schultyp und Jahrgangsstufe vielfältige Möglichkeiten, eigene Ideen zu entwickeln und künstlerisch umzusetzen. Der Begriff der Farbe war kreativ-reflektorisches Moment und methodischer Ansatz, die Stadt unter einer bestimmten Perspektive, nämlich dem Farbwert Rot, wahrzunehmen.

In der Wettbewerbsausschreibung wurde das Thema folgendermaßen konkretisiert:

WIE KANNST DU VORGEHEN?
Rot kannst Du sowohl als Farbwert (Hellrot, Dunkelrot, Knallrot, Rosarot, Purpurrot, Blutrot, Kupferrot, Weinrot, Rostrot, Signalrot, Feuerrot, Karottenrot, Krebsrot, Rosenrot....), als Zeichen (rote Ampel, Signale, Werbung....),oder in seiner symbolischen Funktion verstehen. (Farbsymbole haben etwas mit Magie zu tun, denn mit den Farben wirken geheimnisvolle Kräfte auf unser Unterbewusstsein und lösen etwas in uns aus. Wir wissen heute, dass beim Betrachten der Farbe Rot ein Adrenalinausstoß ins Blut erfolgt und der Blutdruck, die Atemfrequenz und der Puls sich erhöhen. Das Wort Rot hat seine Wurzeln in der altindischen Sprache Sanskrit-"Rudhia" bedeutete Blut. Deshalb , und weil die rote Glut des Feuers wärmte und am Leben hielt, war Rot ein Symbol für die Kraft des Lebens. Vor allem aber ist Rot die Farbe der Liebe und der Sexualität. Rot ist ein Symbol für Macht und Mut, aber auch für Aggression, Zerstörung und für das Böse, den Teufel. Rot gilt als Farbe der Freiheit, der Revolution und der Gerechtigkeit).Du suchst findest und dokumentierst Rot in Dortmund: in Deiner Familie, Deinen Beziehungen, Deiner Clique, in der Schule: Liebe, Wut, Wärme...In Deiner näheren oder weiteren Umgebung: rote Jacke, rote Blumen, rote Dächer, Abendrot.... In der Geschichte der Stadt: Rote Erde, glühende Kohle, Abstich... Du ergänzt Rot, wo es Deiner Meinung nach fehlt. Du siehst Rot, wo kein anderer Rot sieht.

WIE KANNST DU ROT IN DEINE ARBEIT BRINGEN?
Du kannst z.B. zeichnen, malen, anmalen, übermalen, hinein malen, überziehen, überkleben, verpacken, verfremden, färben, in Kontrast setzen, in anderen Zusammenhang stellen, differenzieren, isolieren, zusammensetzen, inszenieren, dokumentieren, fotografieren, drucken, sammeln...Rot eine Farbe, die niemanden kalt lässt!

Teilnehmen konnten Schülerinnen und Schüler aller Schulen in Dortmund (Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen, Gesamtschulen, Gymnasien und Berufsbildende Schulen) als Einzelpersonen oder in Gruppen/Klassenverbänden. Zugelassen waren Beiträge in den künstlerischen Techniken: Malerei, Grafik, Collage, Relief, Plastik, Rauminstallation, Fotografie, Fotodokumentation und Sammlung. Aus logistischen Gründen konnten ausschließlich zweidimensionale Beiträge (Malerei, Grafik, Computerausdruck, Collage, Fotografie, Fotodokumentation), bis zu einer Größe von DIN A 1 im Original abgegeben werden, alle größeren Formate und dreidimensionalen Beiträge (Relief, Plastik, Rauminstallation, Sammlung) als Foto.

Der WETTBEWERB BILDENDE KUNST begann mit einem Informationsabend für Kunsterzieher im Museum am Ostwall, den ca. 20 Kunstpädagoginnen und -pädagogen nutzten, um sich über den Wettbewerb zu informieren, das Organisationsteam und sich gegenseitig kennenzulernen.

Die Wettbewerbsausschreibung wurde mittels eines Faltblattes über den Verteiler des Schulamtes und Schulverwaltungsamtes, das Kulturbüro, das Internet, den Kultur-Info-Shop der Stadt Dortmund, das Museum am Ostwall, die Presse und eine Mal-Aktion in der Innenstadt bekanntgemacht.

Am WETTBEWERB BILDENDE KUNST beteiligten sich 40 Schulen aller Schulformen (außer Berufsbildende Schulen) mit 185 Beiträgen in der Einzel- und 123 Beiträgen in der Gruppenwertung, insgesamt ca. 1000 Schülerinnen und Schüler von Klasse 1 bis 13. Die meisten Einsendungen kamen aus der Sekundarstufe I. Eine unabhängige Fachjury vergab 34 Preise schultypenunabhängig in den Jahrgangstufen 1/2-3/4-5/6-7/8, 9/10 und 11-12-13 in den drei Kategorien Einzel-, Gruppen- und jahrgangsstufenübergreifende Wertung. Gemäß der Wettbewerbsausschreibung werden alle zum Thema eingereichten Beiträge, die Preisträgerarbeiten im Original, im Museum am Ostwall (Museum für Zeitgenössische Kunst) ausgestellt. Die prämierten Beiträge werden zusätzlich in diesem zur Ausstellung erscheinenden Katalog dokumentiert.